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Negative Scannen mit Vuescan, Teil 2: IT8-Profilierung.

0. Einleitung - Problemstellung.

Die in Teil 1 besprochenen Vorgehensweisen zur Farbkorrektur bei Scans vom Farbnegativ basieren alle auf der Annahme, daß sich die Farben mit einer Anpassung von Schwarzpunkt, Weißpunkt und Gamma für die einzelnen Farbkanäle ausreichend korrigieren lassen. Das muß aber nicht immer der Fall sein. Sehr oft besteht in den Schatten ein anderer Farbstich als in den Lichtern. Selbstverständlich könnte man die in Teil 1 genannten Methoden noch verfeinern und z.B. statt einem einzigen Grauwert mehrere unterschiedliche verwenden.

Das kann sehr schnell mühsam werden, denn die Probleme häufen sich. Einfacher ist es, ein IT8-Kamera-Target zu verwenden, zu dem ein Datensatz mit den darauf vorhendenen Farbwerten mitgeliefert wird und eine Software, die darauf spezialisiert ist, das auszuwerten.

Die Aufgabe dieses zweiten Teils des Tutorials soll sein:
- In Vuescan Einstellungen zu finden, die das Ergebnis möglichst gut auf die Profilierung vorbereiten.
- Mit dem lcms Profiler Profile zu erstellen
- Die Profile richtig anzuwenden.

Diese Aufgaben hat das Tutorial nicht:
- es ist keine Bedienungsanleitung für Vuescan oder den lcms Profiler.
- es bespricht nicht Farbmanagement im Allgmeinen.
- es ist nicht für Foto- und Scananfänger gedacht.

1. Vorbedingungen

Als Arbeitsmaterial für diesen zweiten Teil setze ich zusätzlich zu dem im ersten Teil genannten voraus:
- den ersten Teil gelesen und verstanden zu haben.
- ein C1 Kamera-IT8-Target von Wolf Faust: http://targets.coloraid.de (mir ist kein anderer Anbieter bekannt) Möglicherweise kann auch ein normles, reflektives Target verwendet werden, ich habe das aber nicht ausprobiert.
- den freien litte color managment system (lcms) profiler von Marti: http://www.littlecms.com/profilers.htm

2. Warum Profilieren?

Oft gehen die Farbfehler in den hellen und dunklen Partien in unterschiedliche Richtungen. Scannt man einen Graukeil, kommt es oft vor, daß die hellen Grautöne z.B. leicht rötlich getönt sind, die dunklen dagegen grünlich. Das bedeutet z.B. daß man für die Korrektur eine S-förmige Kurve im Rotkanal bräuchte.

So etwas rein visuell oder aufgrund der Grauwerte zu korrigiern kann sehr frustrierend sein, denn üblicherweise führt eine Verbesserung an einer Stelle zu einer Verschlechterung an einer anderen.

Die Verwendung eines IT8-Targets hat zudem den Vorteil, daß die Farbfelder darauf mit ziemlich genauen Methoden ausgemessen werden, und man eine standardisierte Datei mit den entsprechenden, zugehörigen Messwerten erhält. Selbst wenn das Grau z.B. nicht 100%ig neutral ist, steht in den Daten doch genau, welche Farbe es eigentlich hat.

Der lcms Profiler ist hervorragend dazu geeignet, die Auswertung zu übernehmen. Er erzeugt allerdings ICC-Profile. Das stellt aber kein größeres Problem dar, da Marti auch zwei kleine Tools im Programm hat, die solche Profile auf Tiff- bzw. Jpeg-Dateien anwenden können. Deshalb ist die Verwendung einer ICC-fähigen Bildbearbeitung nicht unbedingt erforderlich.

2.1 Warum lcms (und nicht vuescan).

Vuescan bietet in der Pro-Version seit einiger Zeit eine IT8-Profilierung an, u.a. auch für Film. Leider enthält das so erzeugte Profil nur eine sogenannte Konversions-Matrix.

Die damit erreichbare Korrektur stellt eine Änderung der Gamma-Kurve für die einzelnen Farbkanäle dar und entspricht etwa der, die man auch durch die Anpassung der RGB-Brightness erhalten kann. S-förmige Korrekturkurven lassen sich damit nicht realisieren.

Ed Hamrick argumentiert, so könne das Profil auch für unterschiedliche CCD-Belichtungen verwendet werden. Da CN-Material wegen der geringen Maximaldichte aber generell mit einer einheitlichen CCD-Belichtung gescannt werden kann, spielt letzteres für unsere Zwecke keine Rolle.

Vuescan führt die Profilierung auf den Raw-Daten durch, so daß immer der gesamte gescannte Kontrastumfang profiliert wird. Da ein fotografiertes IT8-Target aber nie den gesamten Kontrastumfang des Filmes abdecken kann, führt das zwangsläufig zu Fehlern in der Lichter- und/oder Schatten-Darstellung.

lcms erzeugt bei Bedarf ein zusammengesetztes Profil, das eine Matrix bzw. "tone reproduction curve" (TRC) mit mehreren look up tables verbindet. Damit lassen sich auch sehr komplexe Farbabweichungen korrigieren.

lcms erwartet dafür aber eine Eingabedatei, die im Kontrastumfang nicht über den des zugrundeliegenden Targets hinausgeht.

3. Target fotografieren und Scannen

Der lcms Profiler arbeitet umso besser, je besser das zu korrigierende Bild des IT8-Targets mit dem Soll-Bild übereinstimmt. Bei sehr stark abweichendem bzw. zu dunklem Ist-Bild verweigert er die Zusammenarbeit komplett (das sei, so Wolf Faust, wohl ein generelles Problem des ICC-Standards).

Man muß deshalb die Bilder vorbereiten wie in Teil 1, Abschnitt 3.2 beschrieben und kann, wenn man das dort beschriebene Verfahren angewendet hat, mit den vorkorrigierten Bildern einfach weitermachen.

Die Bilder müssen ohne eingebetteten Farbraum und ohne Farbraum-Umrechnung gespeichert werden. Man wählt also im Color-Tab unter 'Output color space' 'Device RGB'. Im Output-Tab wählt man 'Output TIFF file' und achtet darauf, daß 'TIFF profile' nicht angekreuzt ist.

4. Profilieren

Der lcms Profiler besteht aus mehreren kleinen Programmen, die jeweils unterschiedliche Arbeitsschritte ausführen.

4.1 Messen

Als erstes benötigen wir qtMeasurementTool.exe. Leider versteht das Programm kein Tiff, so daß man die Dateien erst nach (am Besten) PNG konvertieren muß. Ich empfehle dafür das kleine Kommandozeilenprogramm tiff2png <http://www.libpng.org/pub/png/apps/tiff2png.html>, das man als 'external viewer' in Vuescan einbinden kann.

Nachdem man qtMeasurementTool.exe gestartet hat, begibt man sich zunächst zum 'Options-Tab'. Dort wählt man unter 'Pick template' den '22 culomn picker'. Alle anderen Einstellungen sollten auf den Default-Werten verbleiben. Um diese Voreinstellungen wieder herzustellen kann man vor dem Start des Programms die Datei lcmsmt.cfg umbenennen oder löschen.

Im Image-Tab lädt man dann mit 'Load Image' das Bild. Mit der linken Maustaste zieht man das Gitter auf die entsprechende Postion des Targets, die rechte Maustaste legt die rechte untere Ecke fest. Die grünen Felder sollten jeweils vollständig innerhalb eines Patches (einzelnen Farbfeldes des Targets) zu liegen kommen.

Mit einem Klick auf 'Pick' liest das Tool die Farbwerte aus den Patches und zeigt sie auf der Tab-Page 'Raw edit'. Mit dem Button 'Save IT8 Sheet' schreibt man die Daten in eine Datei, unter aussagekräftigem Namen versteht sich und mit der Endung .it8.

4.2 Profil erzeugen.

Für die Profilerzeugung ist qtScannerProfiler.exe zuständig. Neben der Version im Paket bietet Marti auf seiner Webseite noch eine zweite Version (qtScannerProfiler1.exe) zum separaten Download an, die speziell für Filmprofilierung geeignet sein soll. Bisher konnte ich den Unterschied zwischen den beiden Versionen noch nicht klären.

Es empfiehlt sich, die mit dem Target gelieferten Daten nach dem gleichen Schema abzulegen, wie die Daten, die mit dem Profilerpaket kommen, da der Profiler nur die Description und das Produktionsdatum anzeigt, nicht aber die Nummer, die auch auf dem Target steht.

Man wählt also auf dem 'Scanner and Target'-Tab über 'Select target vendor & type' das Verzeichnis, das Target wird dann links davon angezeigt. Im Feld 'Measurement' wählt man natürlich die zuvor erzeugte .it8-Datei und unter 'Output profile file' einen aussagekräftigen Namen für die Profildatei.

Man sollte auf keinen Fall vergessen, im Profile Identification-Tab unter 'Description' eine kurze, eindeutige Beschreibung einzugeben. Das ist die Zeile, die z.B. Photoshop später anzeigt.

Der große GO!-Button rechts unten startet die Profilerstellung. Der Profiler wechselt zum Progress-Tab, macht dort ein paar Angaben zum Fortschreiten der Berechnung und wechselt schließlich zum 'Results report'-Tab, wo die gefundenen Fehler pro Patch ausgegeben werden.

4.3 Profil benutzen

Das erzeugte Profil kann man mit dem qtProfileChecker anschauen. Viel sinnvoller ist es aber, das Profil testhalber gleich auf das Target-Bild anzuwenden. Dazu muß das Profil erst installiert werden. In neueren Windows-Versionen genügt dazu ein Rechtsklick auf die Profildatei und die Auswahl "Installieren". Photoshop (und wahrscheinlich auch andere Programme) muß gegebenenfalls neu gestartet werden, um das Profil zu finden.

Man kann dann das Bild in Photoshop laden und das neue Profil zuweisen. Es wird mit der unter 'Description' eingegebenen Beschreibung in der Liste angezeigt.

Wer keine ICC-fähige Bildverarbeitung hat, kann das Profil per tifficc anwenden. Das Programm wird auf der Kommandozeile aufgerufen, läßt sich also hervorragend in Batch-Dateien packen und mit etwas geschick im Senden-An Rechtsklickmenü unterbringen. Die Aufrufsyntax ist
tifficc -t0 -n -i<film profil> <input> <output>

tifficc benutzt per Vorgabe sRGB als Arbeitsfarbraum. Wird ein anderer Farbraum gewünscht, kann der mit -o<ziel profil> zusätzlich angegeben werden.

Will man also das Profil Film01.icc auf die Datei bild01.tif anwenden und die Datei bild01_c.tif mit Arbeitsfarbraum Adobe RGB schreiben lautet der Aufruf:
tifficc -t0 -n -iFilm01.icc -oAdobeRGB1998.icc bild01.tif bild01_c.tif
Leider müssen alle Dateien im gleichen Verzeichnis stehen und <input> und <output> dürfen nicht identisch sein. tifficc gibt bei einfachem Aufruf eine Hilfe aus.

4.4 Workflow

Nach all dem Aufwand sollte man eine Tabelle haben, in der pro Stufe der in Teil 1 Abschnitt 3.2.1 gemachten Belichtungsreihe je ein Eintrag mit den Werten für den Color-Tab und dem dazugehörigen Profil ist. Außerdem sollte man sich die CCD-Belichtung (RGB exposure und ggf. Infrared Exposure) und die ermittelte 'Film base color' notiert haben. Der Arbeitsablauf bis zum fertigen Bild gestaltet sich dann folgendermaßen:

- Film mit notierter CCD-Belichtung scannen und ggf. als Raw-Datei speichern.
- Im Input-Tab 'Lock film base color' und 'lock image color' ankreuzen.
- Im Color-Tab werden die notierten Werte für 'Film Base Color', 'White point', 'Black point' 'RGB Brightness' und 'Brightness' eingetragen und der 'Output color space' auf 'device RGB' gesetzt (alles per 'Save options' speichern).
- Scannen (ggf. von Platte) und Speichern als (bevorzugt) Tiff.
- das zu den Color-Tab-Daten gehörige Profil anwenden. Entweder mit TiffICC (kann in ein Batchfile/Shellscript verpackt und als 'external Viewer' eingetragen werden), oder Bild in Bildverarbeitung laden und Profil zuweisen.

Wenn man, wie in Teil 1 vorgeschlagen, eine Belichtungsreihe gemacht und für alle Stufen Parametersätze und Profile erstellt hat, beginnt man mit dem Parametersatz und Profil für die richtige Belichtung. Wenn die Schatten zugelaufen sind, kann man den Satz für das unterbelichtete Target verwenden. Wenn die Lichter fehlen, tastet man sich nach und nach in die Parametersätze und Profile der überbelichteten Targets. CN-Film kommt mit Überbelichtung wesentlich besser klar als mit Unterbelichtung. Daraus ergibt sich, daß man beim Fotografieren eher auf die Schatten belichten sollte.

6. Fehlerquellen

- Wie in Teil 1 schon beschrieben können die Farben je nach Labor variieren. Da es schwierig ist, die exakt gleichen Bedingungen beim Fotografieren wieder herzustellen, bleibt zur Beurteilung nur die Film Base Color. Weicht die stärker ab kann zunächst probiert werden, die bisherigen Einstellungen beizubehalten und nur die Film Base Color neu zu ermitteln und zu verwenden. Gibt es in den Farben auch sichtbare Abweichungen, muß die ganze Prozedur wiederholt werden.

- Die Beleuchtung des Targets beim Fotografieren ist der kritischste Punkt. Die Farbtemperatur ist naturgemäß schwer zu schätzen. Wer sie nicht messen kann, ist auf Erfahrungswerte angewiesen. Die Sonne am frühen Nachmittag bietet wohl die besten Bedingungen. Normlichtlampen oder ähnliches kommen leider überhaupt nicht in Frage. Sie liefern zwar ein tageslichtähnliches Spektrum, weisen aber trotzdem noch Banden auf, auf die der Film möglicherweise völlig anders reagiert als unser Auge (für das sie optimiert sind).

- Jedes Profil ist nur für die zugehörige CCD-Belichtung und den zugehörigen Satz Parameter im Color Tab gültig. Und das nur wenn 'Lock image color' gewählt ist. Sobald eine der Automatiken wirksam wird könne sich Weiß- und Schwarzpunkt verschieben, was zu unvorhersehbaren Ergebnissen bis hin zum Farbkippen führen kann.

- Die Felder des Targets müssen auf das Auswertungsgitter passen. Es ist dehalb wichtig, das Target frontal von vorne zu fotografieren, so daß alle Kanten zu den Rändern des Bildes parallel sind. Man kann zwar im lcms MeasurementTool den Sicherheitsbereich um die auszuwertenden Bereiche vergrößern, aber ein völlig schiefes Target sollte man vorher in einer Bildbearbeitung gerade rücken. Dabei ist es wichtig, daß die Bildbearbeitung keine Farbumsetzung macht, indem z.B. stillschweigend in einen Farbraum konvertiert wird.